Nachdem ich schon knapp 3 Jahre keine Jeans mehr genäht habe, wurde es allerhöchste Zeit und ich habe meinen persönlichen „Hosen-Herbst“ im Oktober gestartet und mit der Eddystone Jeans von Itch to Stitch begonnen, die ich letzte Woche auf meinem Blog veröffentlicht habe.
Zum heutigen Me Made Mittwoch bringe ich auch einen Schnitt von Itch to Stitch mit. Der Schnitt zur Mountain View Pull-on Jeans kam bereits 2018 heraus und wurde in dieser Zeit zumindest in der englischsprachigen Nähwelt rauf und runter genäht. Ich kannte ihn bisher aber nicht. Entdeckt hatte ich ihn, als ich für meine Eddystone Jeans auf der Suche nach ein paar mehr Informationen war.
Die Mountain View Pull-on sah der Eddystone nämlich recht ähnlich und ich entdeckte einen Video Sew Along, in den ich mal reingeschaut habe. Ich hatte das „Pull-on“ im Titel komplett überlesen und erst nach und nach verstand ich, dass es sich hier gar nicht um eine typische Jeans handelt, obwohl sie durchaus aus Denim genäht werden kann. Nur eben mit sehr viel Stretch. Denn es gibt keinen Reißverschluss und keinen Knopf. Sie wird einfach über den Po gezogen wie eine Leggings oder Jogginghose. Sieht aber dennoch einer Jeans zum Verwechseln ähnlich (ich bin ja wie gesagt auch erst drauf reingefallen).
Bei näherer Betrachtung sieht man natürlich den etwas anderen Sitz, die rückwärtige Beinnaht, den fehlenden Knopf und dass der Fly eben nur ein Faux Fly ist – von außen so abgesteppt wie ein richtiger.

Ich bin dann etwas tiefer eingetaucht und habe mir die damaligen Probenähbeispiele angeschaut, Reviews durchgelesen und alle Hashtags auf instagram durchforstet. Hier habe ich dann doch ein bekanntes Gesicht getroffen: Heike (Teetrinkers-Zuhause) hat ihre Version schon 2019 bei einem Me Made Mittwoch vorgestellt 🙂 In erster Linie wollte ich durch meine Recherche erfahren: Welchen Stoff haben die bisherigen Näherinnen verwendet? Gerade bei den Hosen die mir besonders gut gefallen haben. Aber leider fehlte die Info meist (ich mag dann auch nicht mehr nachfragen, wenn der Beitrag von 2018-2020 war) oder aber der Stoff war nicht mehr vorhanden oder aus den USA.
Was ich aber zumindest erfahren habe: Einige haben Denim genommen mit 20-30 % Stretch (so wie im Schnittmuster empfohlen), einige Stretch-Twill, ein paar wenige aber auch Jegging-Stoff (also Mischung aus Jeans und Leggings) der je nach Stoffshop auch Jogging Denim oder Mega Stretch Denim genannt wird.
Hier wird es aber tricky, denn manchmal handelt es sich tatsächlich um Denim (also wirklich gewebt, aber eben sehr elastisch), die meisten die ich gefunden habe, waren aber keine Webware sondern gestrickt. Dicker als Jersey, aber nicht so dick wie Sweat. Eigentlich wollte ich das nicht. Ich wollte wirklich gerne einen Denim mit besonders hohem Baumwollanteil, aber eben entsprechend hohem Elasthan-Anteil. Leider habe ich den erst nicht gefunden. Das Schwierigste: Die meisten deutschen Shops geben den Stretch-Anteil leider nicht an (nur die Elasthan Prozentzahl). In den UK habe ich das viel öfter gefunden. Dort leider alle mit einem sehr hohen Polyester-Anteil weshalb ich keinen bestellt habe. Mein Probeteil (dazu gleich mehr) war ein (sehr alter) Denim mit 30% Stretch und mit dem Ergebnis war ich richtig glücklich, weshalb ich die Hoffnung noch nicht aufgeben wollte einen solchen Stoff noch mal zu bekommen. Aber erstmal musste dann wohl doch ein Jegging-Stoff bei mir einziehen.
Probeteil
Ich habe mir den Schnitt in den Größen 4-8 plotten lassen. Laut Tabelle war ich mit meiner Hüfte eine 8, lag aber in der Taille zwischen 4 und 6.
Ich muss bei Hosen an dieser Stelle immer Anpassungen machen und kenne kaum einen Schnitt bei dem ich bei einer Größe bleiben kann. Bei Jeans Schnitten gibt es für mich dann immer etwas mehr zu gradieren. Weil ich schon ab Hüfthöhe nach oben langsam schmaler gehen muss, gibt es auch Änderungen für die Taschenbeutel sowie die Taschenbeutelbelege, für den Yoke und das Waistband.
Diese Änderung habe ich diesmal einfach schon am Schnitt gemacht und damit dann ein Probeteil aus dem eben erwähnten alten Stretch-Denim. Wahrscheinlich ein ca. 10 Jahre alter Stoffmarktcoupon. Er ist komplett unterschiedlich ausgeblichen, weil ich meine Stoffe früher noch in offenen Regalen gelagert habe, was ich ausdrücklich nicht empfehlen möchte. Schon drei mal nicht, wenn das Nähzimmer auf der Sonnenseite liegt. Es war also klar, dass ich keine tragbare Probe nähe, sondern wirklich nur eine Probe.
Vorteil: Ich habe nichts versäubert und die Topstitchnähte auch nur mit normalem Garn genäht, wodurch ich an einem einzigen Abend ein fertiges Probeteil nähen könnte.
Und von diesem war ich dann sehr positiv überrascht: Es passte schon recht gut und gefiel mir auch. Ich zeige gleich noch ein Bild davon.
Ausnahmen: Das sehr breite Waistband hob den Jeans-Look leider etwas auf. Ich habe auch bei Instagram bereits gelesen, dass einige den Bund schmaler genäht haben. Das hatte auch ich von vornherein vor, wollte die Probe aber dennoch gerne einmal im Original nähen. Und auch „meine“ Idee da sogar noch Gürtelschlaufen anzubringen, für einen noch besseren Jeans-Look hatten vor mir schon einige und so konnte ich mir praktischerweise direkt anschauen wie das dann aussehen wird.
Der breite Bund war aber nicht nur optisch kein Highlight für mich, er hatte auch kleine und große Tücken: Die kleine: obwohl im Pattern Release Announcement ausdrücklich erwähnt wird, dass es kein „Bauarbeiterdekolletee“ gibt beim hinhocken, stand mein hoher Bund in der Hocke sichtlich vom Rücken ab. Wenn auch ohne dolle Einsicht..
Die größere Tücke: Mein angepasstes Waistband saß perfekt schmal an meiner Taille an. Ich hatte aber NICHT bedacht wie ich denn in die Hose reinkommen soll, denn an der Hüfte hatte ich ja offensichtlich keine 4-6 sondern eine klare 8. Und wenn es keinen Reißverschluss gibt der geöffnet werden kann, gibt es da trotz Stretch durchaus Probleme wenn der Unterschied zur Taille mehr als eine Größe beträgt. Durch ein bisschen Hüpfen kam ich dann zwar in die Hose, wollte das aber für meine zukünftigen Hosen eher nicht so belassen. Das gute aber ist: Wenn ich den Bund eh nicht so hoch ansetze (weil mir das optisch nicht so gut gefiel), reicht eigentlich auch eine Gradierung zur 6, also nur eine Nummer kleiner.
Ich habe den breiten Bund dann wieder abgetrennt und oben einfach etwas abgeschnitten und wieder angenäht. Jetzt kam ich zwar deutlich besser in die Hose, aber nun fand ich ihn optisch zu schmal. Für den nächsten Versuch habe ich den Bund nicht nur wieder etwas erhöht, sonder diesmal komplett neu angepasst und neu genäht. Die Schnitteile (Waistband Front und Waistband Back) habe ich dafür in der horizontalen Mitte gekürzt und wieder zusammengesetzt statt oben einfach abzuschneiden. In vertikalen Mitte gemessen hatten die Schnittteile nach meinen Anpassungen noch eine Höhe von 8 cm. Mit der neuen Breite bin ich nun sehr zufrieden.

Über den Bund haben manche kritisiert, dass er den Look einer Schwangerschaftshose unterstreicht. Ich kann den Gedanken verstehen, denn auch mich hat meine erste Probehose mit dem Originalbund ein wenig daran erinnert. Weil der breite Bund aus Denim war und eben nicht aus Bündchen, hätte ich damit aber glaub ich leben können. Und natürlich weil ich meine Oberteile sowieso eher über der Hose trage und nicht reingesteckt. Aber ich muss schon auch zugeben, dass mir meine angepasste Version mit schmalerem Bund besser gefällt und mehr nach „normaler Jeans“ aussieht.
Als nächstes habe ich die Beine angepasst. Ich finde dass die Beine im Originalschnitt fast schon einen Schlag haben. Das ist nicht so mein Geschmack / Stil. Gerade weil der Stoff bei diesem Schnitt an Po und Oberschenkel so eng anliegt, wollte ich den Stil auch für den Rest der Beine. Im Schnitt wird beschrieben dass man sich den Skinny look einfach selber abstecken soll. Ich wollte keinen sehr starken Skinny Look – es sollte ja später definitiv keiner Leggings gleichen. Aber deutlich schmaler wollte ich schon.
Ich finde das Abstecken an mir selber ja etwas schwierig, bin aber auch erstmal so vorgegangen. Den ersten Absteckversuch habe ich zunächst mit großen Stichen abgenäht, angezogen, noch mal nachgebessert usw. bis es für mich harmonisch aussah.

In diversen Reviews hatten auch viele weitere den gleichen Gedanken zur hinteren Beinnaht und hätten wie ich aus optischen Gründen gerne drauf verzichtet. Ein paar wenige haben es gemacht, aber nichts weiter dazu geschrieben. Ich hatte eigentlich das feste Vorhaben diese Naht rauszunehmen und die beiden Hinterbeine zu vereinen. Mit Muriel habe ich mich dann aber vorab darüber ausgetauscht und sie riet mir erstmal zu schauen an welcher Stelle die „Funktion“ versteckt ist für diese Naht. Leider sorgt sie dafür, dass der Popo genug Weite hat. Die Hose soll dort zwar eng anliegen (das tut sie bei mir ebenfalls) aber würde ich die beiden hinteren Schnittteile vereinen, hätte ich aus eng anliegend wohl eher „zu eng“ gemacht.


Ich ahnte schon, dass ich die Mountain View nicht nur einmal nähen werde. Und weil ich das natürlich nicht jedes mal von neuem abstecken (und immer wieder probenähen) will, habe ich meine Änderungen auf den Schnitt übertragen. War bei 3 Schnittteilen für die Hosenbeine natürlich noch etwas aufwändiger als eh schon. Aber ich finde all die Mühe hat sich gelohnt.
Die Mountain View Pull-on aus Jogging Jeans Stoff
Nach den Anpassungen war ich aber soooooo neugierig darauf, ob ich meine Anpassungen am Schnitt selber korrekt ausgeführt habe, dass ich nach der Probe direkt die richtige Hose nähen wollte. Leider hatte ich den 30% Stretch Denim da noch nicht gefunden. Aber weil eine neue Jogginghose schon ganz lange auf meiner to sew liste stand, und ich ja vorsorglich Jegging Stoff bestellt hatte (Premium Stretch Jeans Jeggings vom Stoffpalast – also in diesem Falle gestrickt und nicht gewebt), konnte ich von der Probe immerhin zu einer Variante der Mountain View Pull-on Jeans übergehen – wenn auch noch nicht zur finalen Hose.

Mit der Jeggingsversion habe ich dann keine Schritte mehr übersprungen und alles nach Anleitung genäht und (fast) alle Absteppungen auch übernommen. Irgendwie fand ich das Gütermann Denim Garn für eine Jegging übertrieben und weil es beim Stoffpalast Gütermann Zierstichfaden gab, habe ich das einfach mal zur Probe mitbestellt und meine Absteppungen damit gemacht. Alle normalen Nähte habe ich mit einem Gütermann Mara 120 Garn sowie einer Stretch 75 Nadel genäht und die Absteppungen mit dem 30 er Zierstichfaden mit einer Microtex 100.
Während ich die Hose und auch immer mehr Absteppungen genäht habe, habe ich mich sehr darüber gefreut wie viel Jeans Look hier gerade entsteht und war schon mächtig gespannt auf den Sitz. Angepasst hatte ich ja mit und für Denim 30% Stretch. Der Jeggings verhielt sich aber schon noch mal anders und hatte 50% Stretch.
2016 hatte ich schon mal einen Sweat mit Jeansoptik aus dem ich mir eine Frau Pauli genäht habe. Die habe ich immer gerne getragen, weil der Stoff eben den Jeans-Look hatte und ich mir damit draußen etwas „angezogener“ vorkam als mit manch anderer Jogginhose. Frau Pauli hat leider inzwischen Löcher und suchte eh eine Nachfolgerin. Dass die neue nun noch mehr nach Jeans aussieht freut mich natürlich sehr. Außerdem ist der neue Stoff sogar deutlich weicher und bequemer.
Für meine Jegging-Version habe ich die Gürtelschlaufen erstmal noch weggelassen. Hier steht Bequemlichkeit erstmal noch weit über Optik. Außerdem habe ich Taschenbeutel aus Jersey statt Webware genäht.

Den Saum habe ich hier nicht doppelt umgeschlagen und mit Zierfaden abgesteppt. Weil ich – gerade wegen der schmaleren Beinform – den Saum möglichst elastisch haben wollte, habe ich den Saum nur einmal umgeschlagen und gecovert. Statt 2,5 cm habe ich 4 cm umgeklappt.

(Nachtrag: Sooo enganliegend ist der Saum aber gar nicht und eine normale Geradstichnaht wäre gar kein Problem gewesen)

Die Mountain View Pull-on Jeans aus Denim
Ich war so happy mit dem Sitz, dass ich nun erstrecht Feuer und Flamme war den gleichen Schnitt aus Webware zu nähen. Einen Denim mit 30% Stretch hatte ich immer noch nicht gefunden, aber immerhin lieferte mir Driessen Stoffe inzwischen einen mit 25% Stretch (diese Stretch-Angabe stand leider nicht dabei, ich musste mich überraschen lassen was kommt).

Auch diesen Denim finde ich noch nicht perfekt. Er ist etwas glatter und dünner als ich es gewohnt bin und die typische Webung von Jeans kommt hier optisch auch nicht so recht raus. Trotzdem war meine Neugier für eine tatsächliche Jeans-Passform soooo groß, dass ich aus diesem Stoff eine weitere Mountain View zugeschnitten habe.
Weil mir (im Vergleich zum Probeteil-Denim) 5% Stretch fehlten, habe ich an allen Passformnähten mit etwas weniger Nahtzugabe gearbeitet. Der Schnitt sieht 1,25 cm vor – ich habe mit 0,9 cm genäht (bei mir Füßchenbreit). Ich war ja schon geübt den Schnitt zu nähen, also ging es recht schnell.
Diesmal habe ich mit Denim-Garn abgesteppt.

Nur am Bund habe ich mich nicht getraut abzusteppen, weil dieser schon sehr gedehnt wird beim Anziehen.

Aus dem gleichen Grund habe ich schweren Herzens auf ein Jeans Label am Bund verzichtet.
Diesmal habe ich Gürtelschlaufen hinzugefügt und ich finde sie geben tatsächlich noch mal den finalen Jeans-Look.

Im Gegensatz zur Jegging-Variante habe ich hier den Saum nur 1 x abgesteppt und ihn auch nicht so großzügig umklappen müssen. Tatsächlich nur 2 x je 1 cm (daher auch nur die eine Saumnaht).
Es handelt sich ja hier um die gleichen Schnittteile von daher gehe ich davon aus, dass sich der Jegging bei der Verarbeitung (Bügeln und so) gedehnt hat und daher länger war als diese Denim Version.

Für die Hosentaschen habe ich diesmal wieder dünne Webware genommen. Da bieten sich Patwork-Stoffreste einfach immer bestens an und da ich es liebe, wenn meine Taschen zur Jeansfarbe passen, wurde es der Speckled in der Farbe Dove (ein helles Silbergrau mit Gold-Metallic-Sprenkeln).

Die Suche nach dem 30% Stretch-Denim geht aber weiter, denn das ist für mich tatsächlich die perfekte Kombi aus Jeanslook und Bequemlichkeit. Der dunkelblaue Jeggings-Stoff ist unfassbar gemütlich, aber natürlich sieht man der Hose schon noch an, dass sie eben keine Jeans ist. Der graue Stretch-Denim hat mehr Jeans-Look, ist auch seeeeeehr bequem und darf sich im Gemütlichkeitsfaktor gleich dahinter einrehen. Aber nun bin ich einfach super neugierig ob sich in irgendeinem Stofflager da draußen noch der perfekte 30%-Stretch-Denim findet mit dem ich noch einen Test wagen kann. Denn eines ist sicher: Es wird weitere Versionen geben!!

Ich habe diese Denim-Variante Ende Oktober fertig gestellt und dann einige Tage probegetragen – inklusive eines kompletten Strick-Tages auf dem Sessel in den verschiedensten Sitz-Positionen. Ich habe nicht einmal darüber nachgedacht, dass ich mir gerne etwas gemütlicheres anziehen möchte. Sie WAR einfach komplett gemütlich. Ich bin sehr begeistert. Und schneller und einfacher ist keine (Fake-) Jeans genäht 🙂

Muriel.Nahtzugabe5cm
Hallo Mel,
ich bin sehr begeistert von deinem erfolgreichen Hosen-Herbst.
Die Änderung mit dem schmaleren Bund, den Gürtelschlaufen und dem schmaleren Bein hat sich wirklich gelohnt. Die Hosen sehen sehr stimmig an Dir aus.
Lieber Gruß,
Muriel